Textprobe 3

Aus

"Tragödien in Dur -

Mit Ironie geht vieles leichter"


Männerheim

 

Wie so oft, lag ich gestern Nacht mal wieder schlaflos in meinem Bett und konnte vor lauter Grübelei einfach nicht einschlafen.

Zu allem Überfluss hatte ich auch noch Eisfüße und war ziemlich genervt über mich selbst, weil ich nicht in der Lage war, das Gedankenwirrwarr in meinem Kopf auszuschalten.

Wehmütig dachte ich daran, wie schön es jetzt wäre, einen Freund zu haben, der mir die Füße wärmte, mich mit einer Gute-Nacht-Geschichte in den Schlaf lullte und an den ich mich ankuscheln könnte um entspannt einzuschlafen.

 

Aber gleich ein fester Freund? Das könnte auch anstrengend sein.

 

Ich erinnerte mich an vergangene Zeiten, in denen ich Männerhemden bügelte, Einkäufe für mehrere Personen herumschleppen musste, nie bestimmen durfte, was im Fernsehen läuft und bei der Sportschau ständig die Klappe halten und Bier holen sollte.

Zum Dank durfte ich mir ständig anhören, dass seine Mami doch viel besser kochte als ich, dass ich mir am Haushalt seiner Mutti mal ein Beispiel nehmen sollte, und dass ich seiner Meinung nach eindeutig zu dick sei (als er diesen Punkt zum ersten Mal erwähnte passte ich noch in Kleidergröße 38 und wog fast 20 Kilo weniger als jetzt).

Und Füße wärmen oder gar eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen waren totale „No-Goes“.

 

Ach nein, ich glaube da verzichte ich lieber auf einen festen Freund.

Schließlich muss man Prioritäten setzen.

 

Obwohl, …

Vielleicht wäre es ja möglich, eine Art Tierheim für Männer einzurichten.

Das erscheint mir eigentlich recht praktisch.

Wenn ich sehe, dass sich meine Nachbarn öfter mal einen Hund aus dem Tierheim ausleihen, damit ihre Kinder damit Gassi gehen, herumtoben und kuscheln können, warum sollte so etwas dann nicht auch mit Männern funktionieren?

 

Männerheim...

Hm, das wäre doch mal eine echte Marktlücke. Sie müssten dort ja nicht unbedingt in Käfigen eingesperrt werden – ich denke, Einzelzimmer mit 9 m² und vergittertem Fenster würden auch gehen.

Und wenn ich als Frau zum Beispiel mal keine Lust zum Kochen habe, fahre ich einfach zum Männerheim und leih mir jemanden aus, der so etwas gerne macht.

Der freut sich dann sogar!

Und genauso kann ich mir da einen Mann besorgen, zum Rasenmähen, zum Einkäufe schleppen, für Kuscheleinheiten oder sonstige Dienstleistungen, die ich hier nicht weiter erläutern möchte.

 

Wenn mir irgendwann mal ein Kerl so gut gefallen sollte, dass ich denke:

„Okay, mit dem würde vielleicht sogar eine Beziehung klappen.“, dann könnte ich ihn sogar adoptieren – und wenn er doch nicht spurt, bringe ich ihn einfach zurück ins Heim.

 

Manchmal habe ich echt geniale Einfälle!

Zu Werbezwecken denke ich übrigens an Zeitungsannoncen wie:

 

Michel ist ein leicht ängstlicher Typ mit treuherzigem Dackelblick. Aufgrund seiner Unterwürfigkeit ist er sehr gut als Zweitmann geeignet, der ein dominantes Frauchen benötigt. Dank seiner Kastration ist er völlig unkompliziert und besitzt eine wunderschöne Gesangsstimme.

 

Oder:

 

Karl ist ein Supermacho mit sehr guten sexuellen Qualitäten. Dieser Mann braucht ein Frauchen, welches ihm das Gefühl gibt, der Herr im Haus zu sein.

Außer Gut aussehen, angeben und eine Frau im Bett von Höhepunkt zu Höhepunkt zu schicken, kann er zwar nichts aber das kann er wirklich gut!

 

Möglich wäre auch:

 

Gustaf ist ein Mann mit vielen Qualitäten. Er ist sportlich, handwerklich sehr begabt, kann gut mit Kindern umgehen, verfügt über gepflegte Umgangsformen und ist ein echter Tanzbär. Wodurch Gustaf aber besonders hervorsticht ist seine Intelligenz, die recht nahe an das weibliche Denkvermögen heranreicht.

Wenn Sie sich nicht daran stören, dass Gustaf ein wenig hyperaktiv ist, auf dem Kopf nur noch 5 Haare besitzt, ansonsten aber von einem Ganzkörperfell gewärmt wird und dazu neigt, sowohl bei der Arbeit als auch unter der Dusche lauthals schräg zu singen, dann ist Gustaf das perfekte Männchen für Ihr Heim und Ihr Wohlergehen.

 

Na ja, wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass ich es übers Herz bringen würde, ein Männchen, das ich adoptiert habe, wieder zurück ins Heim zu bringen. Man gewöhnt sich ja doch irgendwie an so ein süßes Kerlchen, wenn es einmal da ist.

 

Aber wahrscheinlich könnte ich mich sowieso nicht mit einem Heimmann anfreunden.

Bei diesen Typen würde mir das Rückgrat fehlen, welches nur ein Mann, der in freier Wildbahn lebt, entwickeln kann.

Außerdem könnte ich mir nie wirklich sicher sein, ob mein Heimmännchen mich als Person liebt oder ob er es nur auf die goldene Freiheit abgesehen hat.

 

Nee nee, ich glaube, das mit dem Männerheim vergesse ich lieber wieder ganz schnell.

Vermutlich bleiben mir nur zwei Möglichkeiten:

Entweder ein selbstbestimmtes Leben mit vielen schlaflosen Nächten und Eisfüßen oder irgendwann wieder eine Beziehung mit vielen Kompromissen und der eventuellen Möglichkeit, entspannt und zufrieden einzuschlafen um später in der Nacht vom lautstarken

Schnarchen des Geliebten aufzuwachen.